“Tora no o wo fumu otokotachi / Die Männer, die dem Tiger auf den Schwanz traten“ (wunderschöner Titel btw.) ist quasi Kurosawas erster Samuraifilm, der nach den Überlieferungen eher zufällig entstand. Eigentlich war ein anderer Kostümfilm geplant, der in letzter Minute daran scheiterte, dass man keine Pferde auftreiben konnten. Da die Schauspieler und die Kostüme da waren, setzte sich Kurosawa hin und schrieb an einem Abend ein neues Drehbuch, welches wohl auf ein paar älteren japanischen Bühnenstücken basiert. Das Ergebnis kann sich trotz dieser „Improvisation“ mehr als sehen lassen.
Der gerade mal eine knappe Stunde lange Film ist nur „quasi“ ein Samuraifilm, da die Samurai ihre Schwerter nicht benutzen und der Film stattdessen eher auf ein psychologisches Duell zwischen einer Gruppe von Samurais, die verkleidet als Mönche eine Brücke überqueren wollen, und den Wächtern an dieser Brücke, die genau jene Gruppe abfangen soll, setzt. Dass bietet schon eine Menge gekonnter Szenen, vor allem die klamaukigen Brechungen (die aber sicher nicht jedermanns Humor treffen) haben mir gefallen. Inhaltlich überrascht es, dass sich an vielen Stellen schon kleinere Motive finden, die in späteren Kurosawa-Meisterwerken wieder auftauchen sollen. Auch einige Kurosawagetreue sind schon zu entdecken. Neben dem schon aus den „Judo“-Filmen bekannten Susumu Fujita, kann man zum dritten Mal in einem Kurosawa-Film den großen Takashi Shimura entdecken, wohl jener Schauspieler den Kurosawa am Öftesten in wichtigen Rollen besetzt hat. Amüsanterweise spielt Shimura hier einen der verkleideten Mönche, man denke an seine bekannteste Rolle in „Die sieben Samurai“ ;) Eigentlicher Star des Films ist aber der schräge Grimassen schneidende Comedian Kenichi Enomoto.
Negativ bemerkbar macht sich ein Stück weit die Statik und Einfachheit des Bühnenhintergrunds.
Ein kleiner Sprung von mir nach vorne im Rahmen meiner Kurosawa-Retro, da ich die hervorragende 3-Disc-Edition von Criterion mir gekauft habe und da „Shichinin no samurai“, Kurosawas größtes und bekanntestes Meisterwerk, gleich anschauen wollte
Kurosawa schafft es auf einer Länge von deutlich über drei Stunden eine große und packende Geschichte zu erzählen. Dabei nimmt sich sehr viel Zeit für die ausgiebige Charakterisierung der sieben Samurai. Etwas stärker im Vordergrund stehen dabei vier: Kambei, der erfahrenste und der Anführer. Er plant die Verteidigung des Dorfes. Dann der große Schwertkämpfer Kyuzo, ein ruhiger Stoiker, der kaum Gefühle zeigt und ruhig seine Aufgaben erledigt. Dann der junge Katsushiro, der hauptsächlich aus dem "Abenteuer" lernen will und der sich in die hübsche Shino verliebt, eine Liebe ohne Chance.
Und schließlich ist da Kikuchiyo, der von Kurosawas Lieblingsschauspieler Toshirô Mifune verkörpert wird. Mifune spielt - wenn man eine Rolle so bezeichnen kann - die Hauptrolle im Streifen. Er stellt die Mitte zwischen den beiden Welten dar, die Kurosawa schildert, zwischen den Bauern und den Samurai. Er stammt selbst aus einer Bauernfamilie, seine Eltern wurden getötet, wohl von Samurai, und er will trotzdem selbst ein Samurai sein. So ist er der einzige, der die Bauern verteidigt, als die anderen Samurai herausfinden, dass die Bauern früher einmal Samurais getötet haben.
Kikuchiyo ist zudem eine Person, die sehr unbeherrscht ist und gerade aufgrund der Tatsache, dass er kein richtiger Samurai ist, nach Anerkennung durch die anderen sucht. Er explodiert förmlich beim Versuch dabei so schnell wie möglich so zu werden wie die anderen Erfahrenen. Mifune spielt das ganze einfach grandios. Seine Ausbrüche, die hart an der Grenze zum Overacting sind (diese aber nie überschreiten) kommen immer zur richtigen Stelle. Dazu kann er noch für einige witzige Momente sorgen. Im amerikanischen Remake "Die glorreichen Sieben" wird diese Rolle von Horst Buchholz verkörpert und obwohl auch dieser eine großartige Leistung zeigt, steht er weit im Schatten seines "Vorgängers" Mifune.
Der Unterschied zwischen Bauern und Samurai macht einen großen Teil des Films aus. Auf der einen Seiten die Bauern, ohne jegliche Geschichte, ohne jeglichen Ruhm und hart arbeitend, auf der anderen Seite die Samurai, Angehörige einer ruhm- und geschichtsreichen Militärkaste. Diese beiden so gegensätzlichen Gruppen müssen zusammen kämpfen und Kurosawa setzt dabei nicht, wie man es vermuten könnte, den Samurai ein Denkmal, sondern den Bauern.
Die Zeit der Samurai, der Individualisten ist vorbei, die Bauern, die zusammenhalten, im Kampf und auf dem Feld sind die wahren Sieger. Zwischen den Gruppen gibt es keine Gemeinsamkeiten, sie gehen nur ein Zweckbündnis ein. Bezeichnend dafür der Schluss des Films: Der Kampf gegen die Banditen ist vorbei, der Kampf der Samurai ist vorbei, für die Bauern geht der "Kampf" weiter: der Reis muss gesät werden. "Wir haben nicht gesiegt. Es sind die Leute aus dem Dorf, die gesiegt haben. Die Samurai haben verloren." Das sind die letzten Worte im Film, die einer der wenigen überlebenden Samurai sagt. Diese Worte zeigen das wahre Verhältnis von Bauern und Samurai.
Kurosawa ist nicht nur ein hervorragender Geschichtenerzähler, er versteht auch sein filmisches Handwerk. Das merkt man bei diesem Film besonders. Der Film wechselt gekonnt zwischen langsamen Passagen mit großen und breiten Erzählungen und großartigen Bildern, er wechselt zwischen fast statischen Szenen und plötzlich rasanten Szenen, die dem Film zeitweise ein enormes Tempo gehen. Der Film ist dabei voll von denkwürdigen Szenen. Herausheben möchte ich die Überwältigung des Diebes durch Kambei recht am Anfang, welche das große Finale im Regen imho noch übertrumpft (so weit man so etwas bei diesem Film überhaupt sagen darf). Die ganze Sequenz, angefangen von der Haarrasur, die den Trick mit der Verkleidung als Mönch vorbereitet, hin bis zum Kampf der im Off stattfindet und dem Slow-Motion-Abschluss der Szene. Eine Szene, die ich persönlich immer wieder anschauen könnte und die sicher auch einen meiner Lieblingsregisseure Sam Peckinpah beeinflusst haben dürfte (als der dann die Möglichkeit bekam, sich bei Kurosawa zu bedanken, betrank er sich leider lieber). Immer wieder ein Genuss, trotz der Laufzeit (ich hasse normalerweise Filme mit extensiver Laufzeit) und ich kann jedem Fan des Films die Criterion nur ganz stark ans Herz legen.
Kleiner Hinweis in eigener Sache: Der Text basiert im wesentlichen auf einem einige Jahre alten Text von mir zum Film, wurde an einigen Stellen allerdings gekürzt, an anderen erweitert (vor allem am Ende). Sah keinen Sinn darin, noch mal einen neuen Text zu schreiben, wo ich doch schon einen geschrieben habe… ;)
Kurosawas zweiter Film war zu Beginn für mich ein zweischneidiges Schwert. Die ersten dreißig Minuten sind allein betrachtet schon extrem propagandistisch und daher obwohl sich schon die inszenatorische Qualität der späteren Werke zeigt, nur schwer auszuhalten. Der Fortlauf des Films rückt dieses Bild aber mehr als gerade, denn der Fokus bewegt sich weg von der Propaganda hin zu den hart arbeitenden Frauen und Schülerinnen in einer Fabrik. Dabei zeigt sich, dass der Propagandaeinstieg durchaus nützlich war, um die Lebensumstände zu beschreiben. Und so ärgerlich die Lieder sind, die da gesungen werden, sie wurden wohl auch in der Realität gesungen. Ob es jetzt sein muss, dass ein Subplot davon handelt, dass eine Frau lieber weiter für ihr Land in der Fabrik dienen will, als heim zu den kranken Eltern zu gehen, ist eine andere Frage (eine andere verheimlicht sogar ihre eigene Krankheit).
Inszenatorisch ist wie gesagt der Film schon sehr stark. Die Bildsprache erinnert durchaus an die späteren Kurosawas, die Kameraarbeit ist phasenweise brillant. Leider hat die Geschichte mich nicht richtig packen können, was eigentlich gerade bei einem Propagandafilm der Fall sein sollte. Daher imho einer der schwächeren Kurosawas.
Die Untertitel der Mei Ah – DVD wurden übrigens von jemand gemacht, der sich mit der englischen Sprache nicht allzu intensiv auseinandergesetzt haben dürfte…
Habe ich schon beim
Vorgänger festgestellt, dass der Plot eher mau ist, trifft das auf das Sequel („
Zoku Sugata Sanshiro“) noch viel mehr zu. Die zwei Jahre nach dem ersten Teil angesiedelte Geschichte ist im Endeffekt eine Mischung aus Neuaufguss der Vorgängergeschichte und USA-Bashing. Susumu Fujita darf erneut als Titelheld Sanshiro Sugata sich mit Kampfesrivalen einer anderen Schule prügeln (vor allem dem Bruder seines Ex-Rivalen), dazu aber noch mit einem großspurigen Navy-Boxer, der die Japaner in den Boden stampfen will. Dieser öffentliche Kampf vor einem wilden Publikum widerspricht natürlich der Judoka-Ehre, aber am Schluss lässt sich Sugata trotzdem drauf ein. Das wird allerdings ellenlang begleitet von nur schwer zu ertragendem Gefasel über die große japanische Kunst und Ehre, usw.
Dazu sind auch die beiden großen Kampfszenen eine einzige Enttäuschung und völlig langweilig inszeniert, gerade bei der zweiten im Schnee hätte man deutlich mehr erwarten müssen. Im Endeffekt herrscht eher großes Gähnen. Kurosawas Können blitzt nur selten auf, am stärksten noch in einer Szene, in welcher Sugata den mittlerweile gebrochenen und kranken Rivalen aus dem ersten Teil mit einer Riksha transportiert. Eine wirklich berührende Szene, die damit im Film aber ziemlich alleine steht.
Die Bildquali der Mei Ah-Scheibe ist übrigens unter aller Sau, was dazu beiträgt, dass der Film älter als sein Vorgänger wirkt. Erheblichen Anteil daran hat aber auch die viel zu aufdringliche Musik, die bisweilen an Stummfilmkomödien erinnert (das Tip-Tap-Tip als Begleitung zu den Schritten in einer Szene ist dermaßen unpassend…), dazu kommt teilweise auch unnötiges Over-Acting einiger Schauspieler.
Auch wenn ich noch nicht alle Filme von Akira Kurosawa kenne, bin ich überzeugt, dass dies sein Schlechtester ist und ich vermute einfach mal ins Blaue hinein, dass er sich für dieses uninspirierte Sequel nur hergegeben hat, um im Folgenden andere, interessantere Projekte übernehmen zu können.
Akira Kurosawas erster Film „
Sugata Sanshiro“ (dtsch. Titel: „Judo Saga“) entstand während des 2. Weltkrieges als die japanische Filmindustrie eine vom Staat kontrollierte Propagandamaschinerie war. Auch Kurosawas Debütfilm war als Propagandafilm angelegt, was man auch teilweise merkt (wenn auch bei weitem nicht so stark wie beim Sequel). So ist der unversöhnliche Bösewicht die einzige Figur, die keine traditionelle japanische Kleidung trägt, sondern in einem westlichen Anzug und mit einem westlichen Hut die ganze Zeit herumläuft. Trotzdem hat Kurosawa sich wohl den Einflüssen der staatlichen Gewalt – zumindest teilweise - widersetzt, was übrigens dafür sorgte, dass der Film von den Zensoren erst einmal als zu Amerikanisch (amüsanterweise ein Vorwurf der Kurosawa in ähnlicher Form seine ganze Karriere begleiten sollte) abgelehnt wurde.
Obwohl es die Zeit des Samuraifilms war (nach dem 2. Weltkrieg wurde das Genre durch die US-Invasoren erst einmal verboten), ist das Erstlingswerk des vor allem für seine Samuraifilme bekannten Kurosawa kein Film dieses Genres, hat aber eindeutig dessen Züge und Motive. Stattdessen handelt es sich um einen Judo-Film, die einzelnen Judo-Kämpfer, vor allem der zu Beginn noch hitzköpfige, titelgebende Protagonist (großartig gespielt von Susumu Fujita, wie der Film übrigens durch die Bank mit erstklassigen Darstellerleistungen aufwarten) verkörpern aber die gleichen Werte (Ehrenkodex, eiserne Selbstdisziplin) wie die Samurai. Die Geschichte ähnelt ein weniger der von klassischen Martial-Arts-Filmen, in denen verschiedene Schulen bei Turnieren und aufgrund der großen Rivalität auch auf der Straße gegeneinander antreten.
Bei diesen zahlreichen, vor allem die 2. Hälfte des Films bestimmenden Kämpfen zeigt sich das große Talent von Kurosawa, der die Kämpfe insgesamt sehr unterschiedlich inszeniert. Unterscheiden sich schon die Kampforte, -stile und Verläufe jedes Mal extrem, wird dies durch die unterschiedliche Inszenierung unterstützt. Von Kampf zu Kampf scheint man weniger zu sehen. Beim ersten großen Kampf sieht man noch alles aus der Totalen. Bei einem für die Handlung wichtigen Kampf, bei dem es einen Toten gibt, blendet der Film in einem entscheidenden Moment plötzlich auf die Zuschauer und zeigt den Schluss nach dem Niedergang in der Zeitlupe (siehe auch Bilderreihe). Der dritte große Kampf fokussiert sich vielmehr auf die Füße und zeigt vom entscheidenden Wurf vor allem das Ergebnis und der Finalkampf findet schließlich fast völlig im Off statt bzw. die entscheidenden Bewegungen sind nahezu alle durch hohes Gras verdeckt.
Der Plot ist insgesamt allerdings eher mau, die Liebesgeschichte wird ein bisschen stiefmütterlich behandelt und die Erzählung muss einmal bei einem Perspektivenwechsel und einmal bei einem Zeitsprung sogar etwas ungelenk auf Zwischentext zurückgreifen.
Die beeindruckendste Szenenfolge des Films, erst der Wurf durch den Raum, dann das in Zeitlupe sinkende Bild:
Ich habe aktuell eine
Akira Kurosawa-Retro angefangen, die ich in unregelmäßigen Abständen die nächste Zeit fortführen werden. Dabei werde ich versuchen alle Filme von Kurosawa zu schauen, größtenteils in der zeitlichen Reihenfolge ihrer Entstehung. Zu Abweichungen kann es allerdings kommen, da ich selbst nur knapp die Hälfte der Filme auf DVD oder VHS habe, mir die anderen in der Würzburger Uni-Bib ausleihen muss und da kann es sein, dass der ein oder andere mal vergriffen ist (und ich hoffe sie haben allgemein alle vorrätig, das Überfliegen hinterließ zumindest den Eindruck, ein Nachprüfen für jeden Titel war mir zu umständlich). Zudem werde ich die beiden Sequels direkt nach ihrern ersten Teilen besprechen. Weglassen werde ich wohl
Yume, den ich vor nicht allzu langer Zeit mal wieder gesehen habe und der mich auch beim 2. Ansehen nicht rundum überzeugt habe, denn manche Episoden finde ich einfach nur langweilig. Da muss ich den nicht ein drittes Mal innerhalb von gut 2 Jahren sehen ;)
Hier im Blog werde ich dann zu jedem Film was schreiben