Freitag, 15. Dezember 2006

Fong juk / Exiled (Hongkong 2006, Johnny To)

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Johnnie To ist ein zuverlässig guter Filmemacher, der auch regelmäßig neue Filme herausbringt und sich dabei sicher in mehreren Genres bewegt. Ob er mit „Where A Good Man Goes“ ein romantisches Drama um den Ausstieg eines Gangsters, mit „Running Out Of Time“ ein humorvolles Katz-und-Maus-Spiel, mit seinen beiden „Election“-Filmen einen ruhigen (trotz des brutalen Folter-Einschubes in Teil 2), bisweilen leicht dokumentarischen Einblick in die komplizierten Machtstrukturen und Traditionen der Hongkonger Mafia oder mit „The Mission“ ein Actionballett voller Coolnes abliefert, wo To draufsteht, ist meist Qualität drin. Wo er gerade bei „The Mission“ aber teilweise noch etwas innehält, lässt er nun mit „Exiled“ alle Hunde von der Leine. Denn To’s neuster ist Actionkino in seiner absoluten Perfektion und durch die Hintertür wird dabei ein schon lange tot geglaubtes Genre wieder belebt, obwohl man den Film auf den ersten Blick dort gar nicht einordnen würde.

In ihrer Jugend waren sie Freunde und schließlich wurden sie gemeinsam Gangster, nun treffen sie sich auf der Insel Macao wieder. Die Rede ist von Blaze (Anthony Wong Chau-Sang), Fat (Suet Lam), Tai (Francis Ng), Cat (Roy Cheung) und Wu (Nick Cheung). Doch der Anlass des Wiedersehens ist kein freudiger. Blaze und Fat wurden von ihrem Boss Fay (Simon Yam) geschickt, um Wu, der vor Jahren ausgestiegen und verschwunden ist, nun aber mit seiner Frau Jin (Josie Ho) und dem gemeinsamen Baby sesshaft werden will, zu töten. Tai und Cat haben Wind davon bekommen und wollen den Freund beschützen. Als bei einer ersten Auseinandersetzung zwar viele Kugeln fliegen und allerhand Mobiliar zu Bruch geht, aber keine Seite die Oberhand behält, gönnt man sich erst einmal eine Pause. Gemeinsam wird die noch karge Wohnung von Wu eingeräumt, das Zerschossene repariert und sich dann zum Tee zusammengesetzt. Der alten Zeiten willen stimmen Blaze und Fat einem letzten Wunsch von Wu zu. Bevor es zur finalen Konfrontation kommen soll, will er seine Familie versorgt wissen. Der einzige, viel Geld bringende Auftrag, ist die Liquidierung des gefürchteten Gangsterbosses von Macao. Das ganze gleicht einem Himmelfahrtskommando und stellt sich für die fünf schnell als noch komplizierter heraus…
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Im Vorfeld wurde „Exiled“ oft als Sequel zu „The Mission“ gehandelt, doch diese Einschätzung ist ein Irrtum. Zwar werden vier der fünf Profikiller sowie der wichtigste Nebendarsteller in beiden Filmen von den gleichen Darstellern gespielt, auch ihre jeweiligen Charaktere sind sich beide Male sehr ähnlich, und die Story scheint zu Beginn auch recht ähnlich zu sein, doch „Exiled“ ist zu keinem Zeitpunkt ein „The Mission 2“. Die Charaktere sind offensichtlich andere, die Story nimmt schnell einige Wendungen und To liefert zwar wieder stilistisch erstklassiges „Heroic Bloodshed“-Kino ab, legt dabei aber noch einmal um einige Gänge zu und sorgt dafür, dass unweigerlich Erinnerung an zwei Großmeister des Actionkinos wachen werden.

John Woo und wiederum dessen Vorbild Sam Peckinpah scheint To sich hier als Maßstab genommen zu haben und das Verblüffende daran ist: Er schafft es locker in derselben Liga mitzuspielen und inszeniert Shootouts die an Virtuosität und Coolness so lange nicht mehr zu sehen waren. To liefert ein Bleiballett in Widescreen, ähnlich wie bei den grandiosen Finalen von „The Wild Bunch“ oder „A Better Tomorrow II“ wird bei ihm in unglaublicher Schönheit gestorben. Peckinpah und „The Wild Bunch“ ist sowieso ein hervorragendes Stichwort, denn obwohl „Exiled“ im Macao der Neuzeit spielt, liefert To hier einen klassischen Western ab und dazu noch den Besten, den man seit einer halben Ewigkeit gesehen hat.

Die grandiose Eröffnungssequenz, in welcher vier der ehemaligen Freunde auf den fünften, Wu, vor dessen Wohnung warten, sich dabei argwöhnisch belauern, aber kein Wort wechseln, ist nicht nur eine wunderbare Reminiszenz an die ähnliche Eröffnungsszene aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, sondern besitzt eine nicht minder starke Kraft und sorgt dafür, dass der Zuschauer gleich von Beginn an mit voller Wucht in den Kinosessel gedrückt wird. Auch im weiteren Verlauf finden sich klassische Westernelementen, so darf zum Beispiel ein Goldraub genauso wenig fehlen, wie ein Zitat der klassischen Hutsequenz aus „Für ein paar Dollar mehr“, oder ein langer Marsch der, ihres Pferdes… Pardon… ihres Wagens verlustig gewordenen Helden durch den staubigen Sand.

Ähnlich wie bei den Vergleichswerken eines Woo oder Peckinpah regiert auch bei To die Coolness. Seine Helden stellen sich ihren Widersachern mit coolem Gesichtausdruck in den Weg als wären sie unverwundbar. Die Kugeln schwirren in Zeitlupe genauso durch die Luft, wie die Körper der getroffenen Gegner und die sich im Weg befindlichen Gegenstände. Die grandios gefilmte Action regiert und raubt den Atem. Selbst wenn der Notfallarzt tätig ist, bleibt keine Zeit für eine Verschnaufpause. So darf der munter die Wunde seines Patienten weiter versorgen, während der sich ins Kampfgetümmel stürzt.

To’s Meisterwerk bietet aber nicht perfekt choreographierte und vor Coolness nur so strotzende Action, sondern einen mit wundervollen Zitaten gespickten, ein paar schöne Wendungen hinlegenden Plot, ein paar geschickt gesetzt ironische Einschübe (To-Stammschauspieler Shiu Hung Hui darf - ein immer wieder geschickt platzierter Running Gag – als Cop kurz vor der Pension mitspielen) und eine ganze Riege erstklassiger Schauspieler. Denen, allesamt erprobte To-Recken kommt zu gute, dass die Charaktere nicht flach bleiben, sondern ganz beiläufig, durch kleine Bemerkungen oder Szenen mit Leben gefüllt werden. Einzige kleine Ausnahme bleibt hier – und das ist, wenn man einen ausmachen will, der einzige Schwachpunkt – der von Nick Cheung gespielte Wu. Gerade Anthony Wong und Lam Suet (der seit 1999 in nahezu jedem Werk von Johnny To eine Rolle hat) machen dies aber mal wieder mehr als wett und zeigen, warum nur wenige erstklassige Produktionen aus Hongkong ohne einen der beiden auskommen.
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Ein kleiner Hinweis noch von mir: „Exiled“ ist ein Film, der für die Leinwand gemacht wurde. Ich durfte ihn dank des Asia Filmfestes dort genießen und er hat meine Sinne betört, wie kein anderer Film im Jahr 2006. Ich hoffe inständig, dass der deutsche Verleih Kinowelt sich für einen Kinostart entscheidet, denn ich denke auf dem TV-Gerät (Ausnahme evtl. Großbildschirme) wird der Film einfach verlieren, so wie To mit dem Widescreenformat spielt. Ab Ende Dezember kann ich auch das noch mal überprüfen, denn dann gibt es die Hongkong-DVD die natürlich schon vorbestellt ist.
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Stranger than fiction (USA 2006, Marc Forster)

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Ich muss voranschicken, dass ich ein Riesenfan von Charlie Kaufman bin, denn das Drehbuch hier könnte aus seiner Feder stammen und hat mich wohl deswegen auch rundum begeistert. Dazu kommt das die Geschichte (die übrigens nicht von Kaufman sondern von Zach Helm ist) sich in wunderbarer Weise mit der Inszenierung von Marc Forster verbindet, der ähnlich visuell überzeugt wie in "Stay", das ganze aber "aufgehellter" und "zurückgenommener". Dazu kommt ein exzellentes Darstellerensemble, wo man nicht weiß ob man das herrlich lakonische Spiel von Ferrell, den schrägen Dustin Hoffman, die fahrige Emma Thompson oder die einfach nur wunderschöne Maggie Gyllenhaal mehr loben soll. Ihre Rolle ist mit der etwas zu rosanen Charakterzeichnung vielleicht der einzige kleine Schwachpunkt, aber das verbuche ich mal in die Kategorie "In Märchen ist sowas erlaubt", denn "Stranger Than Fiction" ist für mich ein Märchen, mit ganz viel Romantik (richtig Gänsehaut am Ende bei mir) und exellentem Humor. Das Ende war bei mir übrigens ein Kleines Auf und Ab. Ohne zu viel spoilern wollen: Erst ein Gefühl von Super, dann kurz eins von "Oh je" und dann "Oh ja, traumhaft". Schade, dass ich aufgrund eines Verkehrsstaus die ersten paar Minuten verpasst habe, deswegen auch nur vorläufige 9 Punkte, die noch Luft nach oben lassen. Schon jetzt steht allerdings fest. Das Kinojahr 2007 wird das Kinojahr 2006 um Weiten schlagen, denn ich kenne nun schon drei sichere und einen möglichen Start 2007, die in meiner Rangliste 2006 in den Top 5 wären.

The Pursuit of Happyness (USA 2006, Gabriele Muccino)

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Nicht ganz so schlimm ausgefallen, wie es der Trailer, welcher bei mir Würgereize erzeugte, vermuten ließ. Denn diese Hohelied auf den "American Dream", die Kraft des Geldes und die Chancen es zu etwas zu bringen, wenn man es nur will und sich anstrengt, ist nur in der ersten Hälfte richtig penetrant und nervend (der doppelte Einsatz der US-Flagge, einmal klar und einmal hinter Fenstern ist in dieser Hinsicht der "Höhepunkt"). Danach wird das merklich zurückgefahren, doch statt sich zu steigern, bleibt der Film auf schlechtem Niveau. Denn die Inszenierung von Muccino, von dem ich mir eigentlich am ehesten etwas erhofft habe nach seinem erfrischen "L'ultimo baccio", reißt die Geschichte zu keinem Zeitpunkt aus der Belanglosigkeit, sondern setzt sie eher noch tiefer rein. Wenn ein Film schon so dick aufträgt (und dann noch mit seinem "based on a true story" wedelt), dann soll er bitte auch berühren, Gänsehaut verursachen, einen für das Schicksal der Protagonisten interessieren und das schaffte der Film bei mir nie. Stattdessen dachte ich immer nur "Ja's wird scho". Positiv zu vermerken ist aber auf jeden Fall das exzellente Zusammenspiel zwischen Will Smith und seinem Sohn, die nicht nur prächtig miteinander harmonieren, sondern sich auch ein paar exzellente Dialoge liefern dürfen. Da beweist der Film dann hin und wieder richtig guten Humor und hat mich auch ein paar Mal zum Lachen gebracht. Insgesamt aber viel zu wenig und ich hoffe Gabriele Muccino hat mit dem nächsten Hollywoodfilm mehr Glück.
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